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Der
Versuch eines Portraits:
Ein Geheimniskrämer ist er ja schon, der Herr Trondheim.
Aber nichts destotrotz ist es mir gelungen, ein paar Fakten und
einige glaubwürdige Halbwahrheiten zusammenzutragen, um daraus
das Portrait Lewis Trondheims zu basteln.
Lewis, der eigentlich ... heißt, aber wegen Verunstaltung
seines Namens unter einem Pseudonym veröffentlicht, hält
seinen Namen geheim. "Wenn man seine
ganze Kindheit hindurch Opfer blöder Wortspiele wird, legt
man sich irgendwann ein Pseudonym zu. Vielleicht veröffentliche
ich irgendwann ein Album unter meinem richtigen Namen, um unerkannt
zu bleiben." Wer sich allerdings auf Lambiek.net ein
wenig umsieht, findet unter dem Eintrag "Trondheim, Lewis"
den Namen Laurent Chabosy. Ob das wohl stimmt? Die Adresse ist
aber nicht angeführt! Ein bisschen Privatsphäre muss
doch sein, oder? Das Pseudonym ergab sich aus ganz praktischen
Gründen: "Als Nachnamen wollte
ich einen Städtenamen, aber Lewis Bordeaux oder Lewis Toulouse
klang nicht so gut. Da fiel mir diese Stadt ein, Trondheim ..."
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Lewis
wurde am 11.12.1964 geboren. Nach ereignislosen Kinderjahren in
Fontainebleau, einer Schulzeit, die er selbst als "Larvenstadium"
bezeichnet ("Ich habe mich wie Gemüse
gefühlt. Und Gemüse macht normalerweise nicht besonders
viel. Ich wusste nicht, was ich mit mir anfangen sollte.")
und dem Abitur folgten ein Jahr bei der Armee, das er in Deutschland
abdiente, und drei Jahre an einer Werbefachschule. Da er unbedingt
zeichnen wollte, es aber nach eigenem Bekunden nicht mal für
Knollennasen reichte (siehe: Matt Groening), suchte er nach einer
Methode, "dieses Hindernis zu umgehen", und fand eine
zumindest vorläufige Lösung: Aus zwölf klitzekleinen
Zeichnungen, die alle dasselbe Monster mit leicht variierter Mimik
zeigen, machte er durch Vergrößerung, Vervielfältigung
und das Hinzufügen von Sprechblasen einen täuschend echten
Comic.
Da diesem Verfahren jedoch naturgemäß Grenzen gesetzt
sind, erfand er Lapinot, zu deutsch: Herrn
Hase. Dessen erstes Abenteuer ("Lapinot et les
Carrotes de Patagonie", unschwer zu identifizieren als "Herr
Hase und die Mohrrüben von Patagonien") umfaßte
noch 500 Seiten. Inzwischen hat sich Lewis gemäßigt und
genügt sich mit den üblichen 46 Seiten pro Abenteuer -
und auch auf denen bringt er ziemlich viele, schön schräge
Einfälle unter. Wenn auch die Herr Hase Reihe einer seiner
erster großen Erfolge war, so war doch der Titel "Psychoanalyse"
der erste, bei Lézard (1990), veröffentlichte Comic.
Danach folgten erste Publikationen bei der Zeichnervereinigung L´Association,
deren Mitbegründer er auch ist. Überhaupt ist ihm die
Förderung des Nachwuchses wichtig. |
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Wie
vielseitig er ist, hat Trondheim mehrfach unter Beweis gestellt.
Für mich ist er einer der innovativsten und kreativsten Köpfe
der internationalen Comicszene. Keine Zeit, kein Genre vor dem er
Halt macht - wobei er seine besondere Arbeitsweise und auch den
typischen Humor beibehält. Das Variieren eines Themas sowie
das Karikieren seiner Mitmenschen, geben immer wieder neue Impulse.
Wer sagt denn, dass es immer nur eine Möglichkeit gibt? Trondheim
lässt sich einfach nicht einsperren. (Siehe: seine Kurzgeschichten
oder die vielschichtige Bearbeitung der Donjon-Geschichte.)
Trondheims Protagonisten führen immer auch ein Eigenleben,
welches nur bis zu einem gewissen Grad der Kontrolle des Autors/Zeichners
unterliegt. Die Spontanität und die daraus resultierende "Ehrlichkeit
und Echtheit" seiner Figuren, machen den Charme seiner Werke
aus. "Monströse
Geschichten" war der erste Kindercomic,
der unter Mitwirkung seiner Kinder entstand. Sie steuerten die Monster
im ersten Band bei. Weitere Comics für kleine Kids sind beispielsweise
die "Der
kleine Weihnachtsmann" Reihe oder "Die
Fliege". |
Nicht
nur seine Vielfältigkeit, sondern auch seine Produktivität
zeichnen Trondheim aus, denn in kaum 15 Jahren hat er an die 100
Alben veröffentlicht, die in mehreren Sprachen erschienen sind
und immer wieder neu aufgelegt werden. (Nachzulesen in der ausführlichen
Bibliographie auf seiner Homepage.) Ob als Autor oder Zeichner -
Trondheim hat sich seinen Platz hart verdient. Seine Arbeit steht
bewußt zwischen "Mainstream" und "Underground".
Gerade bei uns ist Trondheim noch ein Geheimtipp - dabei gibt es
so vieles von ihm zu entdecken ...
Alle
Trondheim-Titel auf Emma´s Comicworld findet ihr hier ...
Auch die Zusammenarbeit mit anderen seiner Zunft scheut er nicht:
unter anderem hat er bereits mit Christophe
Blain, Thierry
Robin, Joann
Sfar, Manu
Larcenet, Fabrice Parme und José Parrondo zusammen
gearbeitet. Hinter anderen verstecken braucht er sich jedoch nicht,
denn schliesslich ist Lewis einer der ganz Großen. Und wo
Trondheim draufsteht, ist ganz sicher eine gehörige Portion
scharfsinniger Wahnwitz drin! Heute lebt er mit seiner Frau Brigitte
Findakly und den beiden Kindern Pierre und Jeanne in Montpellier.
Trondheim über Brigitte: "Sie ist
meine Koloristin und meine Frau und die Mutter meiner Kinder und
meine Köchin und mein Engel." (Interview: Comic.de)
Und da er sich noch lange nicht ausgetobt hat, dürfen wir uns
noch über viele neue Sachen von Lewis freuen!
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Trondheim
auf die Frage, warum er sich selbst als Vogel zeichnet: "Ich
probierte andere Tiere aus, eine Maus und eine Katze zum Beispiel,
aber das stimmte für mich nicht. Ich fand einfach, der Vogel
mit dem krummen Schnabel paßt am besten zu mir. Warum, weiß
ich auch nicht." (Interview: Comic.de)
Warum er auf seinen gezeichneten Portraits fast immer ziemlich düster
dreinblickt, weiss ich nicht. Gibt es einen Hintergrund? Ist er
ein Schwerenöter, ein Provokateur? "Schaut her, ich zeichne
lustige Comics. Das heißt noch lange nicht, dass ich den Clown
für euch mache. Nehmt mich gefälligst ernst!" Oder
möglicherweise ist genau das Gegenteil der Fall und soll ausdrücken:
"Ich kann über mich selbst lachen!".
Und ziemlich sicher ist das auch überhaupt nicht wichtig. Auf
weitere tiefenpsychologische Deutungen werde ich mich besser nicht
einlassen, obwohl ich denke, dass es Lewis gelungen ist, sich selbst
treu zu bleiben und das zu verwirklichen, was ihm Spass macht. Ich
hoffe natürlich, dass er das auch in Zukunft beibehalten wird
und wünsche ihm auf diesem Weg alles Gute. Mögen ihm niemals
Stifte und Papier ausgehen! |
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