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Wenn
man als kleiner Junge nur Comics gelesen hat, nie Lokomotivführer
werden wollte und sich auch sonst möglichst wenig Alltagsroutine
wünschte - was wird man dann, wenn man endlich groß ist?
"Schreiben ist wie Fußball spielen - nur anders."
Andreas Dierßen wurde 1962 in Lüneburg geboren. Er wuchs
in Kirchgellersen (bei Lüneburg) auf und besuchte von 1986
bis 1991 die Fachhochschule für Gestaltung in Hamburg. 1991
veröffentlichte er sein erstes Comic-Album "Liebe, Tod
und andere Grausamkeiten". 1993 erschienen "Die Nachtjäger",
diverse Einseitengeschichten und Strips. 1995 folgte das Album "Mild
& Sanft", das auch in Japan bei Kodansha im Comic-Magazin
"Morning" veröffentlicht wurde, und zur selben Zeit
entstanden die ersten Seiten zu seiner neuen Detektiv-Serie "Kunz",
von der drei Kapitel bereits in "Morning" veröffentlicht
wurden. 1998 publizierte Dierßen dann in Zusammenarbeit mit
dem Zeichner Jürgen Mick das Album "Cohn und Markowitz:
Ladykiller" bei Carlsen Comics, das von der Kritik überschwenglich
aufgenommen wurde.
"Azidität und der bittere Witz sind das Markenzeichen
von Ausnahmeautor, bekennendem Frauenfeind und Japanliebhaber Dierßen.
Begegnet ihm nicht im Dunklen und nicht ohne Antisuizidkoffer!"
Zwerchfell über Andreas Dierßen (PS: Dierßen schreibt
sich mit "ß" - eben dieses gibt es im Alphabet meiner
Überschriftenwahl nicht. Daher die Schreibung mit dem Doppel
"s". Ich hasse es nämlich, wenn man Namen falsch
schreibt.) |
Alltägliche
Katastrophen
(Florian
Meyer für "Strapazin")
Hamburg. Nachts, kurz vor eins. Warten auf die letzte U-Bahn. Allein
stehst du am Bahnsteig, unruhig, die U-Bahn erscheint nicht. Plötzlich
bemerkst du drei Männer. Sie nähern sich. Du zuckst, dein
Puls steigt. Furcht keimt auf, bange fragst du dich: "Werden
die mir etwas antun?" Dann: Aufatmen. Die Unbekannten bleiben
stehen. Sie scherzen miteinander und beachten dich nicht. Die Gefahr
ist vorbei, die U-Bahn kommt. Du fährst nach Hause und ein
ganz normaler Tag geht zu Ende, wie üblich ohne besondere Vorkommnisse.
Doch die Typen hätten Mafiosi sein können, sie hätten
ihre Waffe zücken können, und es hätte - nicht vorhersehbar
und plötzlich - das grosse Abenteuer beginnen können.
Es ist dieser latente Reiz des Möglichen in den Strassen der
Grossstadt, aus dem der 1962 geborene Zeichner und Kinderbuchautor
Andreas Dierßen die Ideen für seine Geschichten schöpft.
Es sind solche Begegnungen mit seltsamen Menschen, denen allerhand
zuzutrauen ist, die ihn zum Erzählen anregen. Dierßens
Geschichten sind keine autobiografischen Alltagserzählungen
oder Stadtreportagen - am ehesten passen sie in die Gattung Kriminalkomödien.
"Was ich zeige, sind ganz normale Menschen, die plötzlich
in eine extreme Situation geraten und sich entscheiden müssen,
wie sie reagieren sollen." So bringt Dierßen die Grundkonstellation
seiner Geschichten auf den Punkt. Die von Chris Scheuer und Massimo
Milano gezeichneten Comics sind gute Beispiele für diesen gleitenden
Übergang vom normalen Leben in eine Welt der Gauner und Gangster.
Was passiert einem Mann, der auf dem Heimweg von einer verführerischen
Frau angesprochen wird? Und wie würde ein Spanner reagieren,
dem jede Achtung vor der Privatsphäre fehlt, wenn er Zeuge
eines Verbrechens würde? Dies sind die Fragen, aus denen Dießen
seine Geschichten "bastelt".
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Die
Großstadt bietet das passende Ambiente für Konfrontationen
und spröde, ironische Dialoge, die für Andreas Dierßens
Erzählungen so typisch sind. "In den Großstädten
prallen täglich die unterschiedlichsten Menschen aufeinander
und keiner weiss vom anderen, was dieser als nächstes vorhat.
Da knistert es ständig an der Oberfläche." So umschreibt
Dierßen das Spezielle des urbanen Klimas, wie er es aus Hamburg
kennt. Dort besuchte er 1986 bis 1991 die Fachhochschule für
Gestaltung und veröffentlichte die ersten Comic-Alben. Diese
überall lauernde Gefährdung spüre er bei sich zu
Hause im Dorf Kirchgellersen bei Lüneburg nie so offensichtlich
- und auch nicht in der Schweizer Landeshauptstadt Bern, seinem
zweiten Domizil. Auf seinen Gängen durch Städte hat Dierßen
stets ein Notizbuch bei sich. Dort finden sich all die Absonderlichkeiten,
in denen spätere Geschichten ihren Ursprung haben. "Mir
muss zuerst etwas auffallen, nur dann kann ich eine Geschichte erzählen",
sagt er. Das muss nichts Grosses sein, eine Szene, eine Fotografie
genügen. Mitunter genügt ein einziger, unterwegs aufgeschnappter
Satz für eine ganze Erzählung, so geschehen in seinem
ersten Album "Liebe, Tod und andere Grausamkeiten" von
1991. Auch kleine Zeitungsmeldungen über Unfälle und Katastrophen,
die in ihrer Kürze fast alles offen lassen, geben ihm Anlass,
möglichen Ursachen nachzuspüren. Uli Oesterles Comic über
die unfassbare Nähe des Traumhaften ist das Ergebnis solcher
Gedanken. Ebenfalls traumhaft, aber auf einem persönlichen
Erlebnis beruhend, ist die Zahnarzt-Satire, die Martin Baltscheit
illustriert hat.
Ein seltsamer Zufall wollte es vor Jahren, dass Andreas Dierßen
unmittelbar nach einer schmerzhaften Zahnoperation nach Bern fuhr,
um sich mit Baltscheit zu treffen. Dabei verpassten sich die beiden,
weil Baltscheit ebenfalls wegen Zahnschmerzen unvermittelt abgereist
war. Daraus ersann Dierßen seine "vielleicht bizarrste,
aber auch realistischste Geschichte" über den Ärger
mit dem Zahnarzt. Dierßen packt die Fakten, wenn sie vor der
Haustür lauern, und mischt sie neu zu "bösen Geschichten
mit einer Pointe".
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Bibliographie
Comics:
Liebe, Tod und andere Grausamkeiten, Ehapa Verlag,
Berlin 1991
Mild und sanft, Alpha Verlag, Thurn 1995
Ladykiller (Zeichnung: Jürgen Mick), Carlsen
Verlag, Hamburg 1998
Kunz, Carlsen Verlag, Hamburg 1999
Das Jahr, in dem wir Weltmeister wurden (Zeichnung:
Ulf K.) Edition 52, Wuppertal 2000
"Die Nachtjäger - keine böse Absicht Zwerchfell
Verlag, Hamburg 2000
Bibliographie Kinderbücher (Auswahl):
T.O.P. Team Ratekrimi - Kalt erwischt, arsEdition,
München 2001
Sebastians Verdacht (Illustration: Stefan Selig),
arsEdition, München 2001
Trekker fahrn (Illustration: Ralf Butschkow), Lappan
Verlag, Oldenburg 2001
"Die Böse-Buben-AG" (Illustration: Ralf Butschkow),
Lappan Verlag, Oldenburg 2003
"Toddel, der mutigeste Hase der Welt" (Illus. Felix
Scheinberger), Nord-Süd-Vlg, Gossau 2003
T.O.P.
Team Ratekrimi - Spurlos verschwunden, arsEdition, München
2003
Werke Dierßen´s auf Emma´s Comicworld:
Liebe, Tod und andere Grausamkeiten
Die Nachtjäger
Mild & Sanft
Kunz
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Quellen: arsEdition,
Carlsen
Comic, Strapazin
und Zwerchfell
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