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Sommer:
Vor einigen Tagen sass ich auf unserer Terasse und genoss, verborgen
unter den Zweigen des Bambus, einem Drink, die Sonne und meine Lektüre:
"Drei Schatten". Lise, Louis und Joachim leben, einander
liebevoll verbunden, in einem kleinen Paradies, bis klar wird, dass
das Herzstück dieser Gemeinschaft, ihr gemeinsames Kind, von
unbekannten Mächten genommen wird. Es ist herzzerreissend,
traurig und schrecklich mitzuerleben, wie diese beiden Menschen
mit ihrem Schmerz, verursacht durch den Verlust des Kindes, umzugehen
versuchen. Lise trägt offen ihre Angst und ihre Trauer; Louis
akzeptiert seine Ohnmacht nicht und zerbricht beinahe daran. Es
gibt keine Erklärung. Dass diese Geschichte am Ende dem Leser
trotzdem noch kleines Lächeln auf das Gesicht zu zaubern vermag,
ist eine der Stärken dieses Buches und vielleicht ein bisschen
... kitschig.
Pedrosas s/w Zeichnungen sind in ihrer Schlichtheit berührend
und wunderschön. Wenn Louis mit Joachim lacht, muss man selbst
beinah mitlachen. Wenn Lise mit Tränen in den Augen von ihnen
Abschied nimmt, möchte man mit ihr weinen. Und als Louis erkennt,
dass er im Angesicht des Todes machtlos ist, möchte man ihn
in die Arme nehmen. Sein Zorn, seine Verzweiflung, sind in kräftigen
Tuschestrichen schmucklos mit einem Pinsel aufs Papier gebannt,
während die Zeichnungen anderer Szenen voller Leben, Details
und Schnörkel sind. Die Geschichte kann es durchaus mit dem
"Kleinen Prinzen" aufnehmen: anstelle des Königs
oder des Trinkers begegnen die beiden auf ihrer Reise verschiedenen
Figuren: dem Wucherer, dem Menschenhändler, dem gierigen Alten.
Die Dialoge sind großartig gelungen, die Atmosphäre birgt
Spannung und Beklemmung. "Drei Schatten" wurde nicht umsonst
als "Bestes Album 2008" in Angoulême ausgezeichnet.
Weitere Titel von Cyril Pedrosa in Emmas Comicworld: Ring
Circus
Leseprobe: auf der Reprodukt-Seite
findet ihr ganze 8 Seiten zum Appetit holen ...
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Drei
Schatten
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Text
& Zeichnungen: Cyril Pedrosa
Verlag: Reprodukt,
Berlin (2008)
Copyright: "Trois ombres",
erschienen bei Guy
Delcourt Productions, Paris, 2007
Ausstattung: SC (23 x 16,5 cm), 268 Seiten, s/w
ISBN:
978-3-938511-95-4 |
Joachim
lebt mit Mama Lise und Papa Louis zurückgezogen auf dem wohl
schönsten Fleckchen Erde dieser Welt. Er verbringt eine wunderbare
und gut behütete Kindheit in den Armen seiner Eltern, die ihn
von Herzen lieben. Ihr aller Leben ist geprägt von Freiheit und
Unbeschwertheit. Die Arbeit geht leicht von der Hand und die Musestunden
mit den Liebsten gehören genauso dazu, wie ein bisschen Faulenzen
und Unsinn machen. Doch eines Tages wird alles anders ...
Vor ihrem Haus tauchen drei Schatten auf, die sich bei genauerem Hinsehen
als Reiter entpuppen. Anfangs versuchen Louis und Lise Joachim zu
beruhigen. Drei Reiter, na und? Doch sie verschwinden nicht mehr,
sind immer in der Nähe und doch immer ausser Reichweite. Lise
plagt die Ungewissheit, doch ihre Vermutungen stossen bei Louis auf
taube Ohren. Dieser versucht die Angelegenheit herunterzuspielen,
kann aber seine eigene Unsicherheit bald nicht mehr verbergen. Obwohl
Louis ein Baum von einem Kerl ist, gelingt es ihm nicht, die drei
Reiter zu vertreiben. Die Situation spitzt sich zu, als eines Nachts
die Schatten versuchen, Joachim mit sich zu nehmen. Lise und Louis
geraten in Streit, was zu tun ist. Louis vergräbt seinen Kummer
unter heissem Groll und Lise sucht in ihrer Verzweiflung Zuspruch
und Rat bei einer weisen Frau. Durch diese wird ihr klar, was ihnen
bevorsteht.
Louis ist sich sicher, dass er Joachim beschützen kann, indem
er mit ihm flieht. Bei Nacht und Nebel lassen sie die tieftraurige
Lise zurück, um den Schatten zu entgehen. Ihre Reise führt
sie durch die Wälder bis hin ans Meer. Doch dort werden sie mit
Dingen konfrontiert, die ihnen bisher unbekannt waren: Leid, Gier
und Gewalt. Der Reeder nimmt ihnen für die Überfahrt ihr
gesamtes Geld ab, als er erkennt, dass sie nicht auf das nächste
Schiff warten können. Die Bedingungen auf dem Schiff sind verherrend:
viele Leute drängen sich dicht an dicht auf dem Deck, eine Flaute
lässt sie auf See nicht weiterkommen, Hunger, Krankheit und Armut
prägen das Bild. Durch eine Kette von Ereignissen wird Louis
als Mörder und Dieb an Bord verhaftet, doch ihre schicksalhafte
Odyssee ist noch nicht zu Ende. Ein schweres Unwetter lässt das
Schiff leck schlagen, Louis und Joachim können entkommen und
werden völlig entkräftet am Ufer von einem alten Mann aufgenommen,
der sich um sie kümmert. Nach und nach geht es ihnen besser,
doch Louis ist mit seiner Weisheit am Ende: er ist sich sicher, dass
die Schatten für die Geschehnisse an Bord verantwortlich sind.
Was konnte er ihnen als einfacher Mensch und Vater denn entgegensetzen?
Kann er Joachim überhaupt beschützen oder hatte Lise recht
und floh er nur um seiner selbst Willen? Jeder Augenblick, den er
mit seinem Sohn verbringen kann, erscheint ihm nun wie ein Geschenk.
Da macht ihm der Alte ein seltsames Angebot ...
Wäre Louis bereit, sein Leben zu geben, um das von Joachim zu
bewahren? Entgegen Joachims Einwände willigt Louis ein: der Alte
nimmt ihm den Atem seines Herzens, dafür erhält Louis die
Macht und die Kraft Joachim gegen alle Angriffe zu verteidigen. Doch
der Preis für diesen vermeindlichen Schutz ist hoch: Louis verwandelt
sich in einen Giganten voller Zorn und Aggression, der nur noch seine
Ohnmacht kennt und alles ringsum vergisst. Mit gewaltigen Schritten
stapft der nun seelenlose Louis weiter, immer weiter ... bis ihn nach
langer Zeit die Müdigkeit und Joachims Bitte nach Freiheit in
die Knie zwingen. Joachim weiss inzwischen, was ihn erwartet - er
ist bereit mit den Schatten zu gehen. Louis muss ihn loslassen, doch
er findet den Weg zurück ins Leben ... |
Louis: Drei
Zeilen, die mir als Zuflucht dienen,
wann immer ich ein wenig ins Wanken gerate:
"In dieser Frühlingslandschaft gibt
es kein Besser und kein Schlechter.
Die blühenden Zweige wachsen, wie es ihrer Natur entspricht.
Einige sind lang, andere kurz."
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